Autorin / Schriftstellerin / Sterbebegleiterin
Susanne Hutter
„Geschrieben wird viel. Aber unser Buch des Lebens schreiben wir selbst - jeder für sich!“ (S.H.)
Am 20. Januar 1993 verändert sich mein Leben schlagartig. Nach der Einnahme eines Antibiotikums, welches mir in Folge eines grippalen Infektes ärztlich verordnet wird, verliere ich im Badezimmer das Bewusstsein. Dank der reibungslos funktionierenden Rettungskette und dem beherzten Vorgehen der diensthabenden Notärztin, die den Ernst der Situation um das lebensbedrohliche Krankheitsbild sofort erkennt, überlebe ich den septischen Schock, dem zur Blutvergiftung ein multiples Organversagen – in meinem Fall von Leber, Nieren und Lunge – folgt. Wiederkehrende Lungenblutungen erschweren den Krankheitsverlauf, über einen längeren Zeitraum bleibe ich dialysepflichtig. Eine Entzündung im Nasen-Rachenraum führt schließlich zur Tracheotomie, zum Luftröhrenschnitt.
Nach dem Absetzen der Sedierung, des Dämmerschlafs, folgt ein vorübergehendes Durchgangssyndrom mit Entzugserscheinungen, ehe ich, nach rund eineinhalb Monaten auf der Intensivstation, langsam aus dem Tiefschlaf zurückkehre. Zurück in ein Leben ohne Erinnerung. Ohne Erinnerung an meinen Namen, an Menschen, die mir vertraut sind, an mein Zuhause, an meine Familie. Zurück in ein Leben, in dem mir selbst meine eigene Stimme fremd ist und das mir meine Abhängigkeit ungeschönt vor Augen führt. Mein Körper startet wieder bei null und benötigt zu allem fremde Hilfe.
In Orientierungslosigkeit gefangen, kämpfe ich gegen die Teilverluste meines Erinnerungsvermögens, gegen die Belastung der Tracheotomie und ringe um die Akzeptanz meiner verletzten Stimmbänder. Der Umgang mit der eigenen Verwundbarkeit und das tief verankerte Trauma werden zu einem Teil von mir, der mein weiteres Leben nachhaltig verändert.
„Ich bin oft gestolpert, häufig auch hingefallen, aber ich bin nie liegen geblieben“, antworte ich zuweilen, angesprochen auf die Intensität meines ebenso abenteuerlichen wie außergewöhnlichen Lebens, das bis heute keinen Stillstand duldet. Das mühsame Aufarbeiten der zahlreich angehäuften Stolpersteine, der vielen schmerzhaften Erfahrungen sowie der Verluste wurden zu meiner Therapie. Es war der Beginn eines unglaublich spannenden Weges: der Reise zu mir selbst.
Die Erfahrungen aus dieser Zeit, die Folgen des Komas und mein Leben danach habe ich in meinem Erstlingswerk „Der Triumph aus meinem Schicksal“, einem Projekt im Eigenverlag, aufgearbeitet.
Über mich
Sepsis – Koma – Langzeitbeatmung. Mythen, die sich um ein lebensbedrohliches Krankheitsbild ranken. Ich möchte sie belichten, denn als ehemalige Koma-Patientin weiß ich genau, wovon ich spreche.
Ich hebe den Deckmantel der Verschwiegenheit, der auf den Betroffenen und ihren Angehörigen lastet. Sie in Vergessenheit geraten und verstummen lässt, gefangen in ihrer Minderheit.
Mit meinen Lesungen mache ich Mut. Zeige auf, warum sich hinter einer Krankheit nicht nur Schicksal, sondern auch die Chance auf einen Neubeginn, verbirgt.
Ich gebe Koma-Patienten eine Stimme und ein Gesicht, um ihnen Präsenz in der Gesellschaft zu verleihen.