"Wir hätten Ihnen noch stundenlang zugehört..."

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Diesen Satz bekomme ich öfter zu hören, und ja, selbstverständlich freue ich mich darüber. Wenn ich, im Anschluss an den offiziellen Teil meiner Lesung, das Wort an mein Publikum weiter gebe, werte ich solche Aussagen natürlich als Kompliment.

Meine Tätigkeit führt mich zunehmend auch in Einrichtungen und zu Menschen, die vom Leben nicht unbedingt bevorteilt wurden. Sie müssen mit Einschränkungen leben, die ihnen viel von ihrer Eigenständigkeit rauben. Zumeist benötigen sie Beistand und Unterstützung, um ihren Alltag händeln zu können. Was mich immer wieder aufs Neue fasziniert, ist diese bedingungslose Lebensfreude, die sie ausstrahlen. Und ihre entwaffnende Offenheit, die unserer Gesellschaft größtenteils abhanden gekommen ist. Sie sind ein aufmerksames Publikum, das, im wahrsten Sinne des Wortes, nicht nur mit Herz und Seele, sondern mit allen Sinnen, die ihnen zur Verfügung stehen, wahrnimmt. Egal mit welcher Einschränkung sie zu kämpfen haben, es ist ihnen wichtig, alles aufzunehmen.

Wann und wo auch immer ich zu diesen besonderen Menschen eingeladen werde, um ihnen meine Geschichte zu erzählen, bin ich dankbar und freue mich. Weil es eine Herausforderung ist. Die Herausforderung, ihnen gerecht zu werden. Denn sie nehmen vieles anders, vor allem aber bewusster, wahr. Was dazu beiträgt, dass ich den einen oder anderen Begriff intensiver reflektiere. Spätestens dann, wenn ich darum gebeten werde, ihn zu erklären. Und sie sind aufmerksam, ihnen entgeht nichts. Ich glaube, sie verfügen über ein sehr ausgeprägtes Feingefühl. Auch wenn ich mich im Laufe der vielen Veranstaltungen als ziemlich resistent und überraschungserprobt einstufe, wenn es jemandem gelingt, mich mit (s)einer Frage wirklich zu verblüffen und zum Nachdenken anzuregen, dann kommt es aus diesem Umfeld. Ich fühle mich wohl unter diesen, so besonderen, Menschen, die mit ihrem Schicksal nicht hadern, sondern es angenommen haben. Ihre Energie, die zumeist tief im Inneren schlummert, hat etwas Ansteckendes.

Eine ganz positive und herzliche Gruppe unter ihnen muss ich heuer noch mit einer traurigen Botschaft konfrontieren. Die Geschichte ist für mich in doppelter Hinsicht belastend, weil ich ihnen nach der Lesung ein Versprechen gegeben habe, das ich leider nicht mehr halten kann. Obgleich mich keine Schuld trifft, belastet es mich sehr.

Aber davon erzähle ich dir im nächsten Beitrag…

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Mein zweites Leben

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